Heldinnen der Sachmet-Reihe – Teil 3: Pesechet, Mesechnet und Uadja – Kultische Kraft und grantige Größe

Veröffentlicht am 7. November 2025 um 14:04

Das Dreigestirn. Mein Triumvirat. Die heiligen drei Königinnen. Die drei weisen Weibsen aus dem Morgenland.

 

Seit vielen Jahren regieren sie mein literarisches Ägypten – nicht als Nebenfiguren, nicht als Staffage, sondern als das pulsierende Herz des Isistempels: Pesechet, Mesechnet und Uadja.

  Drei Grazien? Vielleicht.

  Drei Furien? Mitunter.

  Drei Säulen? Ganz gewiß.

Sie sind grantig, fromm, rabiat, verschroben, klug, unbestechlich, unnachgiebig. Hebammen, Wächterinnen, Buchhalterinnen, Priesterinnen, Richterinnen. Sie sind das, was bleibt, wenn der Sand sich legt und die Götter schweigen.

  Und wehe, man nennt sie Mütterchen. Dies ist Zickenkrieg auf hohem Niveau. 

Denn diese drei sind die wahren Herrinnen des Isistempels. Vergeßt alles, was ihr über liebreizende ältere Damen zu wissen glaubt. Diese drei regieren mit Biß, Skalpell, Fluch, scharfem Blick – und noch schärferen Worten.

 

 

Pesechet – Die Unzugängliche 

 

  Pesechet ist die Jüngste der drei. Als sie in Blutmond zum ersten Mal auftaucht, ist sie Anfang zwanzig. Und man würde sie, politisch unkorrekt, sofort als alte, verbiesterte Jungfer einsortieren. Ist sie auch – jedenfalls auf eine gewisse Weise.

Sie ist Bents härtester Widerpart im Kampf um den Posten der Hohepriesterin. Verwindet es nicht, daß Kara den Job nicht bekam – sondern die „dahergelaufene, arme, gefährliche Irre“. Und sie wettert gegen Bent, wo sie nur kann.

  Pesechet ist knallhart. Rabiat. Unzugänglich. Und neben Kara die beste Hebamme der Stadt. Sie bringt Leben – und sie bewacht den Tod. Sie kennt die Namen der Dämonen. Und sie weiß, wie man sie zum Schweigen bringt.

 

 

Außerdem ist sie die Pförtnerin des Isistempels, wohnt Bent gegenüber und trägt die Verantwortung für (fast) alle Schlüssel und Schlösser im Haus. Sie ist das prüfende Auge bei der Buchhaltung. Mit ihr in den dunklen, unheimlichen Keller unter dem Tempel hinabzusteigen, erfordert Bents ganzen Mut.

 

Totale des Innenhofs des Isistempels mit Pesechet im Zentrum – zwischen Säulen, Opfergaben und dem prüfenden Blick der Götter

Textschnipsel

 

Aus Die Rache der Löwin

 

… „Du wirst verstehen“, grollte Bent, „daß ich dich unter den gegebenen Umständen bitten muß, dieses Haus zu verlassen.“

  „Was für Umstände?“, tobte Pesechet aufgebracht.

  „Du hast die Herrin dieses Hauses in den Dreck gestoßen! Erinnere dich! Nach mir gespuckt und mir deine Schlappen an den Kopf geworfen! Ich holte mir blutige Schrammen! Aufgeschürfte Knie und Hände!“

  „Das ist ewig her! Da kannst du mir doch heute keinen Strick draus drehen!“

  „Ich sagte, wenn das hier vorbei ist, dann kannst du was erleben. Sie ist beerdigt, alles ist vorbei. Dein Tag ist heute gekommen. Man stößt eine Hohepriesterin der Isis, von der Göttin selbst auf diesen Posten gesetzt, nicht ungestraft zu Boden! Pack dein Zeug zusammen und verschwinde! Sofort, innerhalb dieser Stunde. Hau ab, bevor ich mich vergesse!“

Pesechet blieb unbeweglich stehen, kalkweiß im Gesicht.

  „Hast du mich nicht verstanden?“, zischte Bent unheilschwanger.

  „Wo soll ich hingehen?“

  „Das ist mir völlig schnurz!“

  „Das kannst du doch nicht mach…“

  „Du weißt sehr wohl, daß ich das kann!“

  „Das hier ist mein Zuhause!“

  „Das hier ist mein Reich!“, brüllte Bent, schlug zornig mit der Faust auf den Tisch. „Das war mal dein Zuhause. Doch du bist anmaßend, tust als würde das Haus dir gehören! Alles soll sich dir unterordnen. Ich bin deine Mißachtung satt! Hinaus!“

  „Hexe!“, zischte Pesechet, verließ wütend die Kammer, knallte die Tür hinter sich zu. …

 

Sie geht, aber nur kurz, denn alles kommt wieder zum Guten.

Pesechet ist auf den ersten Blick das genaue Gegenteil der stets freundlichen, liebenswerten Kara – launisch, mürrisch, dickköpfig. Doch man sollte sie nicht unterschätzen. Hat man erst ihre Freundschaft, ihre Achtung gewonnen, kann man sich bedingungslos auf sie verlassen.

 

Pesechet ist ab Blutmond in allen Sachmet-Bänden mit dabei

 

Uadja – Die Religiöse 

 

  Uadja – jaaa… sie ist… ja was eigentlich? Jedenfalls eine Dame im fortgeschrittenen, nicht näher benannten Alter mit dem Hang sich hier und da ein wenig lächerlich zu machen. Unverheiratet, wie Pesechet. Stets grantig, wenn nicht gar gemein. Und religiös! Fromm! Im höchsten Maße!

Ihre Gottesfürchtigkeit gegenüber ihrer geliebten Isis geht meines Erachtens schon ein wenig zu weit. Dann kommt sie in Wallung – Verzückung wäre das richtige Wort. Blauäugigkeit vielleicht auch. Oder: kultische Ekstase.

Wenn Uadja betet, bebt der Tempel. Wenn sie spricht, zittern die Kolleginnen. Wenn sie schweigt, ist das ein vernichtendes Urteil.

 

Textschnipsel

 

Aus Blutmond

 

… „Haushofmeister?“, spottete Uadja und blickte Bent tief in die Augen. „Weißt du,“ zischte sie wütend, „wenn wir hier etwas nicht wollen, sind das Weiber, die nicht hierher passen! Dumme Gänse, die keine Ahnung haben! Oder solche, die ständig quer treiben! Und erst recht keine die lügen!“ Bent trank einen Schluck Wein, darauf gefaßt, jeden Moment den Inhalt des Bechers in Uadjas Gesicht zu kippen. Am liebsten hätte sie ihr die Augen ausgekratzt. „Aber du besitzt ganz schön Mut! Das muß ich dir lassen. Nicht jede wäre so ehrlich gewesen!“ …

 

 

  Uadja ist keine, die man einfach irgendwo hinschickt oder herbeiruft. Sie ist eine, die mit Göttern rechnet. Die mit einem Blick die Schuld erkennt – und mit einem Fluch die Sühne einfordert.

 

  Der Isistempel – habe ich schon erwähnt, daß er in meinen Geschichten so etwas wie ein „Krankenhaus“ ist? Ein Haus der Heilung, der Genesung. Ein Ort für Gebärende – und eine letzte Zuflucht für Sterbende.

Uadja ist dort zuständig für die richtig schlimmen, blutigen Sachen. Für große Wunden, die versorgt werden. Für Operationen, die man damals Sut net jereyt dschu’a nannte. Denn ihr gehört ein sehr wertvoller Kasten mit einem noch wertvolleren chirurgischen Besteck. Und sie weiß ganz genau wo man das Messer ansetzt …

 

Klistier, Kräuter, Knochensäge – Heilkunst im Isistempel

 

  Die Heilmethoden der damaligen Zeit waren alles andere als human. Man mußte schon grob gestrickt sein, um die rabiaten Behandlungen zu ertragen. Obendrein war der Besuch bei einem Arzt – einem Wer Sunu – sehr teuer. Und gewiß wird es genügend Scharlatane gegeben haben. Oder weise Kräuterweiblein, die tatsächlich helfen konnten.

  Die bei fast allen Krankheitsanzeichen zu allererst angewendete Methode bei den alten Ägyptern war aber das Klistier – gleich darauf folgte das herbeigerufene Erbrechen. War der „schlechte Schleim“ erst einmal aus dem Körper getrieben, mußte es dem Patienten gleich besser gehen!

  Tatsache ist auch die sogenannte „Drecksapotheke“, bei der selbst Exkremente zur Behandlung eingesetzt wurden. Ich habe auf allzu genaue Beschreibungen dazu in meinen Romanen verzichtet – auch wenn manchem Dung tatsächlich antiseptische Wirkung nachgesagt wird.

  Meine Erkenntnisse zu den antiken Heilbehandlungen ziehe ich u. a. aus dem Papyrus Ebers. Die beschriebenen Methoden in all meinen Geschichten entsprechen den damaligen Tatsachen. Ein original altes chirurgisches Besteck aus der Bronzezeit durfte ich selbst schon in Händen halten – und man hat mir eindrücklich den Verwendungszweck jedes einzelnen Instruments erklärt.

 

Uadja ist jedenfalls seit Blutmond in allen Sachmet-Bänden mit dabei – und sie findet auch noch Erwähnung in Am Horizont der Sonne.

 

Mesechnet – Die Kräuterhexe 

 

Ja, da kann Mesechnet nur noch empört die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Vor lauter lauter hat sie glatt vergessen, sich den Damenbart zu rasieren. Und sie kann sich lebhaft ausmalen, was Bent alles mit einem Schleier anstellen könnte!

Da gerät die füllige alte Dame gewaltig in Wallung – vor allem, als sie hört, welchen Beruf Bent vorher ausgeübt hat. Und dann noch die Sache mit dem Salat …

 

   

  Ist der Lattich doch des Gottes Min heilige Pflanze – und Bent will ihn, bevor er ins Kraut schießt, nicht nur essen! Ihn zudem mit saurem Wein und bestem Öl aus dem Lande der Hebräer übergießen. Ihn obendrein mit Granatapfelkernen garnieren und mit Knobi würzen. Als Pikanterie anbieten! Oh Zeiten, oh Sitten! Da gehen der zehnfachen Mutter einfach die Gäule durch!

  Und dann muß sie sich auch noch einen oberschlauen Vortrag über Empfängnisverhütung anhören. Und lästerliche Worte – da der feine Herr Gemahl sich vom Acker gemacht hatte, dazu spottende Rückschlüsse in Bezug auf Leibesfülle und Hängebusen… Von dieser … nennen wir es in Ermangelung eines besseren Wortes … Göre! Die sich anmaßt, die Herrin des Isistempels zu sein!

 

  Einfach so wurde die Kara vor die Nase gesetzt – obwohl jeder wußte, daß Kara das eines Tages übernehmen würde. Die liebe, brave Kara, der man einfach sagt, was zu tun sei. Tachut war einfach zu alt, obwohl sie Iarets rechtmäßige Nachfolgerin gewesen wäre.

  Doch: Kara als Chefin, mit der beratenden Tachut im Hintergrund – und ihrer, Mesechnets, vordergründigen Beratung – das wäre es gewesen! Sie hätte ganz schön was zu sagen gehabt. Manches lag hier arg im Argen. Und jetzt kommt die da daher…

 

 

  Ja, damit muß sie nun leben. Aber sie kriegt auch wieder die Kurve – keine Angst!

Mesechnet ist ebenfalls Hebamme. Und sie hat den Garten zu ihrer Passion gemacht. Doch ihr Augenmerk liegt nicht auf blühenden Zierpflänzchen. Sie züchtet ganz anderes Gewächs heran – giftiges, gefährliches Zeug, welches man als Ahnungsloser weder essen noch rauchen sollte.

  Sie hat richtig Ahnung von Kräuterkunde. Und manches in ihrem Beet ist nicht nur toxisch – es ist tödlich!

Keine Bange! Hier habe ich selbst genügend Hintergrundwissen. Als Drogistin – wenn ich auch schon etliche Jahre nicht mehr in diesem Beruf tätig bin – habe ich einst meine Giftprüfung mit Bravour abgelegt. Beim Schreiben ziehe ich obendrein Renate Germers Die Heilpflanzen der Ägypter zu Rate.

 

Textschnipsel

 

Aus Blutmond

 

… „Ein Schwur?“ Mesechnets unglaublich höhnisches Lachen hallte durch den Garten, „Wofür?“

Bent kam sich mit einem Mal dumm und blöde vor. Nur der Trotz behielt die Oberhand.

  „Ein Schwur, daß ich nie wieder lieben werde! Wenn Sachmet an meiner Seite stünde und mich stark macht! Und ich halte mich daran. Nie wieder habe ich einen Mann geliebt!“

  Mesechnet lachte gehässig weiter, Bent fürchtete, bald hüpfe ihr der riesige Busen aus dem Ausschnitt. Als sich die bedrohlichen Massen wieder beruhigten und ihre eigentliche Position weit unter der Höhe des Magens einnahmen, verschränkte Mesechnet mühsam die Arme darüber, wiegte den Oberkörper hin und her.

  „Hörst du dir eigentlich zu? Hörst du den Unsinn, den du da brabbelst? Wie kindisch ist das denn? Ich habe zehn Kinder und mein Mann ist auf und davon. Die Kinder haben sich in alle Winde zerstreut. Aber denkst du, ich schwöre der Mächtigen solch einen Quatsch? Nie wieder lieben! Pah! Was für ein Unsinn! Grab das aus!“ …

 

 

Drei Grazien, drei Furien, drei Säulen

 

Doch: Die Dosis macht das Gift. Auch bei meinen drei temperamentvollen Damen.

Verschroben sind sie. Charakterköpfe sind sie. Es sind Frauen, die mitten im Leben stehen. Die vieles durchgemacht, vieles erlebt haben. Die sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Doch sie sind ehrlich, stark und wahrhaftig.

Was wäre eine Geschichte ohne Figuren mit Profil? Was wäre eine Geschichte, wenn dem Protagonisten nicht genügend Gegenwind um die Ohren bläst? Und was wäre eine Geschichte ohne die Würze alter, weiser Frauen? Hm?

Gaanz schöön laangweilig!

 

  Mesechnet ist in Blutmond und in Die beiden Herrinnen mit dabei – doch ihr Wissen, ihr Andenken und ihr Geist hallen noch lange nach. Im neuen Band lebt sie in einer Erinnerung wieder auf.

 

Auf meinem Foto hier zum Abschluß das berühmte chirurgische Besteck an der Wand des Doppeltempels von Kom Ombo.

Es zeigt, wie präzise und vielfältig die medizinischen Werkzeuge der Antike bereits waren.

 

 und die Kopie eines chirurgischen Bronzebestecks aus der Römerzeit – robust, funktional und erstaunlich modern in seiner Form.

Werkzeuge der Heilkunst – einst an Tempelwänden, heute in meinen Geschichten.

Ob Kom Ombo oder römisches Bronzebesteck: Diese Instrumente erzählen von Schmerz, Hoffnung und der Kunst, Leben zu retten – mit Skalpell und Zauber gleichermaßen.

Ob Ägypten oder Rom – wer heilt, hat recht!

 

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