... Chenu
folgte dem Buckligen durch die Gänge des Palastes. Dieser lief und
hopste auf seinen krummen Beinen vorneweg, daß Chenu meinte, ein
aufrechtgehender Affe wiese ihm den Weg hinaus in einem Garten.
Liebliche Musik erklang, Wasser plätscherte in einem Springbrunnen,
Knechte huschten emsig hin und her. Junge Mädchen mit großen Fächern aus
Straußenfedern standen wedelnd hinter einem prächtigen Stuhl, aus dem
sich augenblicklich eine große, imposante Gestalt erhob.
Imi Ah! Der König selbst!
Chenu sank
auf die Knie, streckte die Arme vor, neigte den Kopf bis hinunter zum
Boden, biß die Zähne zusammen, dachte an den unrühmlichen Arschfick im
Suff.
„Du kommst,
um die Harfe zu holen? Erhebe dich. Hemon wird gleich hier sein, mich
mußt du entschuldigen, ich habe Verpflichtungen.“
„Entschuldigen?“,
kreischte der Zwerg und hüpfte aufgeregt auf und ab. „Herr, was redest
du? Dieser Wurm ist einer deiner Untertanen, weniger als ein Staubkorn
in der Wüste. Der soll seine
Benet
nehmen und verschwinden!“ Chufu packte den Kleinen an seinem Gürtel, hob
ihn hoch über seinen Kopf: „Willst du mich erheitern oder erzürnen? Wenn
deine derben Späße weiterhin in dummen Befehlen enden, werde ich dich an
die heiligen Krokodile verfüttern.“
„Herr“,
schmeichelte der Kleine, zappelte affig mit den Beinen, ruderte mit den
Armen. „Neb!
Allerliebster Neb
laßt mich herunter. Ihr wißt, hier oben fühle ich mich frei wie ein
Vogel. Obwohl es angenehm ist, von Euren starken Händen getragen zu
werden, aber so klein meine Füße auch sind, so ist es ihnen doch lieber,
den Boden unter sich nicht zu verlieren. Wenn Ihr also gestattet… Zudem
bin ich zu alt, ich werde den Krokodilen nicht mehr schmecken. Denn wie
Ihr richtig bemerktet, sie sind heilig. Wollt Ihr den heiligen Tieren so
etwas Unwürdiges wie mich zu fressen geben? Sie werden sich den Magen
verderben und mich wieder ausspucken. Es wäre doch ein unsinniges Opfer.
Weder Sobek noch ich haben etwas davon.“ Grimmig stellte Chufu ihn
wieder auf den Boden. Hemon trat näher.
„Ich habe
dir Grüße auszurichten!“, sagte Chenu und verbeugte sich lässig.
„Grüße? Von
wem? Kennen wir uns?“
„Oh, Ihr
hoher Herr, ich bin unwürdig, Ihr kennt mich nicht, aber Ihr kennt meine
Schwester gut. Ich weiß nicht, was Ihr mit ihr gemacht habt. Sie ist
ganz närrisch mit Euch. Redet den tagaus tagein von Eurem wunderschönen
Gesicht. Ist zu nichts zu gebrauchen. Träumt mit offenen Augen und ist
saumselig. Kaum kann sie ihre Arbeit verrichten. Sie hat sich in Euch
verliebt.“
„Tja! Wer ist
die Schöne? Ich kann mir wirklich nicht alle Mädchen merken, die sich in
mich verlieben.“
Chenu war
versucht, in Hemons schönes, arrogantes Gesicht zu schlagen, ballte die
Fäuste.
„Dieser
junge Liebesbote meint Karoma, Vetter! Baumeister Chenu aus dem
Leben Der Zwei Länder!“,
säuselte Chufu lästernd.
„Ach
der
Baumeister! Natürlich!“ Hemon klatsche sich an die Stirn. „Aber ja!
Tju, tju,
Karoma, dieses entzückende Ding! Diese niedliche kleine Jungfrau.
Sie
hat mir Spaß gemacht, sie war so… so willig!“
„Du hast
ihr nicht nur ihre Unschuld genommen, Hemon“, zischte Chenu. „Du hast
ihr auch was gegeben!“
„Was soll
ich ihr denn gegeben haben?“
„Nun Herr,
großmütiger Vetter unseres geliebten Herrschers, Hemon, der Gute. Du
hast ihr ein Kind gemacht!“
Chufu
lachte laut und schadenfroh, klopfte Hemon anerkennend auf die Schulter:
„Da wird sich deine Gattin aber freuen!“
„Sag bloß?“
Hemon kam ins Stottern, „Was… was für eine freudige Nachricht. Sage
deiner Schwester, ich werde mich schon mit ihr einigen. Du mußt jetzt
gehen. Und vergiß die Harfe nicht.“ Er drückte Chenu das Instrument in
die kalten Finger, verließ mit dem Herrn der
Beiden Länder
eiligst den Garten. Der Zwerg hob seinen häßlichen Kopf zu Chenu hoch.
„So ist er
nun mal. Du liebst deine Schwester, aber ich vermute du wirst bei ihm
nichts erreichen. Er hat überall Liebschaften und so. Ich versteh deine
Wut! Ich wünschte, meine Familie, meine Schwester wäre noch da. Leider
bin ich alleine auf dieser Welt. Ich bringe dich hinaus.“
„Ach, halt
die vorlaute Klappe! Du verstehst überhaupt nichts; möge Apep dich
fressen!“, fuhr Chenu den Kleinen an, sah zu, daß er verschwand.
Mit Wut im
Herzen wanderte Chenu durch die belebten Gassen von Ankh Taui nach
Hause, kehrte in eine Schenke ein, kaufte sich einen
Traumvergesser, saß dumpf brütend über dem
kühlem Henket.
Sah Hemons hochmütiges Grinsen vor sich. Niemals würde dieser Windhund
Karoma zur Gattin nehmen! Der soll nicht ungestraft davonkommen!
Du
Schwein zahlst den Brautpreis für sie und
du
wirst das Kind anerkennen! Dafür werde ich schon sorgen…
„Was
nuschelst du da, Süßer? Willst du mir nicht von deinem kühlen Bier
einschenken?“
„Hm?“
Die
halbnackte Hure setzte sich auf seinen Schoß, spielte mit seinen
Ohrringen, drückte sein Gesicht an ihre entblößten Brüste, knetete ihm
die Eier durch. Er steckte ihr ein paar Deben zu, sie zog ihn an der
Hand in ihre Kammer, dort zog er sie ordentlich durch. ...
Chenu
ist im Gegensatz zu Chufu, seiner Gattin und einiger anderer Personen,
ein erfundener Charakter. Meritites, Hemon, Hetepheres u.v.a. Charaktere
meines Romans haben dagegen tatsächlich gelebt. Hemon - der Wesir und
Baumeister Chufus ging als Hemiunu in die Geschichte ein! Seine
überlebensgroße Kalkstein-Statue, die einen älteren, massigen, etwas
übergewichtigen Mann zeigt, steht heute im Roemer- und Pelizaeus-Museum
in Hildesheim. Hier habe ich ihn in jüngeren Jahren zusammen mit dem
erfunden Charakter des Djet in Chufus Räume gestellt.
Chufu - wahrscheinlich
Chui ef ui = Er beschützt mich,
womit Chnum gemeint ist,
ausgesprochen - ist der 2. Pharao der 4. Dynastie; seine Regierungszeit
wird zwischen 2620 bis 2580 v. Chr. geschätzt und seine Große Königliche
Gemahlin war Meritites. Mit ihr hatte er seinen Sohn und Nachfolger
Djedefre, auch
Radjedef genannt...
Ein Textschnipsel, passend zu der
Szene auf den Bildern:
… giftete Meritites mit einem
genüßlichen bösen Grinsen das schon an Verderbtheit heranreichte.
„Was sagst du da?“, zischte Chufu. In
der gespenstischen Stille hörte man einzig Chnemets spitzes Lachen und
ein nerviges Klackern, als würde eine Musikantin mit ihren Klappern
spielen. Chufu packte seine Gattin grob am Arm.
„Meine Mutter ist tot! Halt endlich dein
dummes Maul, du verwöhnte, arrogante Ziege! Du bösartiges Weib bist es
nicht wert, unter meinem Dach zu leben! Halts Maul!“ Doch sie spuckte
ihm wütend ins Gesicht. Chufus Hände schossen flink wie ein Falke beim
Beutezug vor, drückten seiner Gattin die Luft ab. Chnemet schrie auf,
Hemon sprang zur Seite, machte Platz für Chenu, der Chufu daran hindern
wollte seine Gattin zu erwürgen. Dabei stieß er den Tisch um.
„Chufu! Laß sie los!“ Chenu stolperte
über den umgeworfenen Tisch, mühte sich vergebens Chufus Hände zu lösen.
Meritites versuchte sich röchelnd und zappelnd aus diesem unbarmherzigen
Griff zu befreien, hing plötzlich leblos in seinen Pranken. Chenu
handelte schnell, ohne groß zu überlegen, ballte die Faust, maß die
Entfernung, spannte den Arm, schlug Chufu mit voller Wucht unters Kinn.
Genau auf jenen gewissen Punkt, den der Arzt kennen mußte, um jemanden
in tiefe Träume zu schicken! Wie ein gefällter Baum ging Pharao zu
Boden, riß Meritites mit sich …
Der Bau
des Sphinx und der großen Pyramide sind zwei Themen der Geschichte, wenn
auch nicht vordergründig. Im Fokus steht hier Pharao Chufu und seine
Zeit, die in der historischen Belletristik kaum Beachtung findet. Im
Gegensatz zu meinen Sachmet-Geschichten, deren Zeit, Glanz und Pomp an
barocke Üppigkeit erinnert, kommt Deshret eher nüchtern daher, ist
kantiger, brutaler, grober, erzählt eine Männerfreundschaft.
Von
allen tatsächlich lebenden Personen in meiner Geschichte fehlt bis heute
jede Spur. Pharao Chufus Sarkophag in der Königskammer seiner Pyramide -
von Achet-Chufu - ist leer. Weder seine Mumie noch der Grabschatz wurden
je gefunden. Von dem großen Pharao blieben lediglich knapp 8 cm kleines
Elfenbeinfigürchen, eine gewaltige, seetüchtige Barke und die größte
Pyramide Ägyptens erhalten.
Seine
kleine Elfenbeinstatuette ist in Kairo im Ägyptischen Museum
ausgestellt. Sie ist das einzige Abbild des großen Königs, der über 30
Jahre Kemet beherrschte. Alte Quellen bezeichneten ihn als Despoten -
heute ist dieses Bild revidiert; man weiß, daß es keine Sklaven waren
die seine Pyramide erbauten. Es waren Facharbeiter, Leute mit Ahnung,
Männer, die wußten, wie sie ein solch grandioses Bauwerk zu Ehren ihres
Gottes errichten! Und diesen Männern ist Deshret geweiht - jenen
Unbekannten, die in der Lage waren ohne Rad, Hebekran und ähnlich
technisches Know How Weltwunder zu erbauen, die wir heute, nach fast
4000 Jahren noch bewundern können!